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Tag der Freien: Die Kostbarkeit der Freien

syndicom vertritt rund 2000 freie Medienschaffende. Am „Tag der Freien“ vom 11. September 2010 suchten die freien Journalistinnen und Journalisten nach Lösungen für eine Branche unter Druck. Teils ziemlich radikal, teils pragmatisch.

Der Tagungstitel „Freier Journalismus der Zukunft: Im Netz zappeln oder auswandern?“ durfte sicher leicht sarkastisch gelesen werden. Aufgezeigt werden sollte, was neue Onlineplattformen und -magazine – „Journal 21“, „Infosperber“, „Neuland“ und ähnliche – vermögen, oder welche Chancen der Job als Auslandjournalist oder -journalistin bietet.

Wieder Akteur sein

Die Rolle des Inputers kam Oliver Fahrni zu – „Work“-Redaktor und selbst langjähriger Auslandkorrespondent. Die ökonomische Entwicklung gehe dahin, die journalistische Qualität zu senken. Das Modell der Verlage habe für Freie keine Zukunft mehr. „Wieso arbeiten wir nicht mit Kollegen anderer Medien in Recherchenetzwerken zusammen? Denkt über das Berufsbild und eure Rolle nach“, so Fahrni. Es gehe darum, wieder „Akteur des Wissens“ zu werden, „zur Herstellung von Öffentlichkeit bei relevanten Themen in guter Qualität“.

Das von Fahrni geforderte „Neuland“ hat Anita Hugi, Initiantin des gleichnamigen Onlinemagazins, schon betreten. Neuland.ch setzt dabei ganz auf Beiträge von Freien: „Sie haben eine höhere Wertigkeit als Agenturberichte. Wir wollen diese Kostbarkeit aufzeigen.“ Vorerst ist Werbefreiheit das Konzept. Vor allem aber ist die Mitarbeit (auch der Freien) wie bei anderen Onlineplattformen weitgehend gratis.

Für Nina Scheu war im zweiten Meetingpoint zum Thema „Online“ die Nutzung von Social-Media-Plattformen für freischaffende Journalistinnen und Journalisten unverzichtbar – als Instrument der Selbstvermarktung, aber auch zu Recherchezwecken.

Kompetenz bricht weg

Ex-„Tages-Anzeiger“-Journalist Roman Berger schilderte, wie er noch in „goldenen Zeiten“ Auslandjournalismus gemacht habe – „ohne Handy, ohne Internet, ohne Zeitdruck“. Heute komme etwa in Afrika gerade noch ein Freelancer auf 40 Länder. „Ein Freischaffender muss sich jeden Tag neu vermarkten. Er überlegt, was zieht.“ Vor allem die Berichterstattung aus dem Süden fokussiere da auf Krisen und Katastrophen. „Nach zwei, drei Tagen folgt der nächste Event. Journalisten werden Eventmanager.“

Die konkrete Ausgestaltung des Berufsbilds Auslandskorrespondentin zeigte Marianne Truttmann auf, die für mehrere Regionalzeitungen aus Brüssel berichtet – kein Nebenschauplatz aus Schweizer Sicht. Trotzdem musste auch sie wiederholt um ihren Job kämpfen. Junge müssten nachkommen, weil sonst schlicht die Kompetenz wegbreche. Es sei in einem „offenen Land wie der Schweiz bedauerlich, dass kaum ein Chefredaktor mal länger im Ausland gewesen ist“.

„Es gibt viele Länder ohne Korrespondent“, machte der langjährige Afrikakorrespondent Marc Engelhardt, der heute aus Genf über die Uno-Organisationen berichtet, den Anwesenden Mut. Vielerorts zögen sich auch die Agenturen zurück. „Es fehlt das Korrektiv zu den wenigen Korrespondenten.“ Er müsse den Redaktoren oft erklären, wieso eine Geschichte Relevanz habe.

Angewandte Sprachkunst

So funktionierte der „Tag der Freien“ mehr als Netzwerktag, als dass er konkret zur Lösung der ökonomischen Schwierigkeiten der freien Medienschaffenden beigetragen hätte. Mit dem Auftritt von Laurin Buser – zweiplatzierter Slampoet an der diesjährigen Schweizer Meisterschaft – bot der „Tag der Freien“ auch diesmal ein Beispiel angewandter Sprachkunst. „Ich leg den Stift zur Seite, weil es nichts zu sagen gibt in Zeiten der Verleitung als Tagedieb“, reimte Buser – kein Vertreter der Spassgesellschaft, wohl aber einer der jungen Schweizer Schriftsteller, die am meisten zu sagen haben. Er tut es mit realistisch-resignierter Grundstimmung. Zum Profil der „kostbaren“ Freien passt das eigentlich.


Michael Walther, freischaffender Journalist, Autor in Flawil SG, ist Mitglied der IG Freie, m-walther[at]bluewin.ch

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