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Eine Frau am Steuer des Gelben Riesen

Das gabs noch nie: Am 1. September 2012 übernimmt eine Frau die Konzernleitung der Post. Eine Annäherung an die neue Generaldirektorin Susanne Ruoff.

 

Am Tag zuvor war Susanne Ruoff noch praktisch unbekannt – aber am Mittwoch, dem 23. November prangte das Bild der jugendlich wirkenden 50-Jährigen mit der farbig gefassten Brille auf fast allen Titelseiten im Land. Zehn Tage zuvor hatte der Post-Verwaltungsrat seinen Entscheid gefällt und jetzt wurde er offiziell bekannt gegeben. Vom 1. September 2012 an wird die Ökonomin mit Zürcher Wurzeln die neue Generaldirektorin des Gelben Riesen sein. Sie folgt auf Jürg Bucher, der die Altersgrenze erreicht hat.


Die neue Chefin im Porträt

 

Am Hauptsitz der Schweizerischen Post findet sich Susanne Ruoff noch nicht ganz zurecht im Labyrinth der Gänge. Sie empfängt uns in einem recht nüchternen Sitzungszimmer. Schon zu Beginn stellt sie klar: «Es ist für mich noch zu früh, um über meine Pläne an der Spitze der Post zu sprechen.» Nun, dann wollen wir diese Unterhaltung dazu nutzen, um jene Frau besser kennenzulernen, die in weniger als neun Monaten die Leitung einer Belegschaft von über 60 000 Personen übernimmt.

 

 

Niemand oder fast niemand im Polit- und Medienkuchen kannte Susanne Ruoff, und auch sie selbst ist etwas überrascht davon, wie sie von einem Tag auf den anderen aus dem Schatten ins Rampenlicht geraten ist. Aus der Ruhe bringt sie dies aber nicht. «Es ist schon etwas anstrengend, aber ich war darauf vorbereitet. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Kommunikation eine immer wichtigere Rolle spielt. Das muss man akzeptieren!», sagt sie in fliessendem Französisch.

 

Die Medienaufmerksamkeit ist umso höher, als Susanne Ruoff die erste Frau an der Spitze eines so grossen öffentlichen Unternehmens in der Schweiz sein wird. «Es ist doch ziemlich typisch, wie stark die Presse hervorhebt, dass ich eine Frau bin. Man ist es einfach noch nicht gewohnt, eine Frau an solch verantwortungsvoller Position in einem Unternehmen zu sehen. Ich wurde aber wegen meiner Kompetenzen gewählt», sagt sie dazu. Ob sie wohl weiss, dass den Frauen bis im Jahr 1972 der Zugang zur Kaderlaufbahn bei der Post verwehrt war?


Führungserprobt

 

An Kompetenzen mangelt es Susanne Ruoff wahrlich nicht. Ihr Lebenslauf sieht beeindruckend aus: Nach dem Lehrerinnendiplom machte sie einen Abschluss in Ökonomie (Executive MBA) an der Universität Freiburg, gefolgt von weiteren Universitätstiteln. Seit 1989 hat Susanne Ruoff zahlreiche Führungspositionen bekleidet: während über 20 Jahren bei IBM Schweiz in den Bereichen Marketing, Verkauf und Dienstleistungen und schliesslich als Mitglied der Geschäftsleitung und Zuständige für Global Technology Services. Im April 2009 übernahm sie die Leitung von BT Switzerland (British Telecom). «Ich habe nicht den Eindruck, dass ich als Frau auf Karrierehindernisse gestossen bin, auch wenn ich manchmal etwas härter kämpfen musste als andere», sagt sie.

 

Susanne Ruoff wurde im Laufe eines acht Monate dauernden Selektionsprozesses aus insgesamt 200 Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt. An der Pressekonferenz, bei der ihre Ernennung bekannt gegeben wurde, sparte Peter Hasler, der Präsident des Verwaltungsrates der Post, nicht mit Komplimenten und hob vor allem einen Punkt hervor: «Wir sind begeistert, eine herausragende Persönlichkeit gefunden zu haben, die sich in der digitalen Welt auskennt. Die Bewältigung unserer elektronischen Zukunft ist für unser Unternehmen von zentraler Bedeutung.»

 

Wird diese Frau, die als Kind davon träumte, Pilotin zu werden, nun zur Chefarchitektin der digitalen Revolution im ehemaligen Bundesbetrieb? «Ich kann hier noch nicht über strategische Überlegungen sprechen», sagt sie, «aber es ist klar, dass das Digitale einen immer wichtigeren Platz in unserem Leben und in unseren Verhaltensweisen einnimmt. Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen wir in der Lage sein, uns den anstehenden Herausforderungen zu stellen.»

 

Die Kundinnen und Kunden stünden für sie im Zentrum, konnte man am Tag nach der Berufung von Susanne Ruoff an die Spitze der Post in der Presse lesen. «Das gilt selbstverständlich auch für die Beschäftigten der Post», hält sie fest. «Die beiden Gruppen hängen zusammen im Hinblick auf den Erfolg. Wenn die Arbeitsbedingungen gut sind, machen die Angestellten ihre Arbeit meist auch gut. Und wenn sie gut arbeiten, sind die Kunden und Kundinnen zufrieden.»

 

Und die Gewerkschaften, insbesondere syndicom? «Ich will von vornherein klarstellen, dass ich sie als vollwertige Partner ansehe, so wie zum Beispiel auch die politischen Behörden», ist ihre Antwort. «In diesem Sinne setze ich auf den Dialog.» Sie weiss aber, dass sie unter Beobachtung stehen wird. Vor allem, wenn die wirtschaftlichen Unsicherheiten in einigen Monaten auch für ein öffentliches Unternehmen wie die Post negative Auswirkungen hätten. Eine weitere möglicherweise heikle Frage: der Lohn, den die künftige Konzernleiterin bezieht. Gemäss dem Geschäftsbericht der Schweizerischen Post verdiente der gegenwärtige CEO Jürg Bucher im Jahr 2010 insgesamt 847 175 Franken. «Wenn man sieht, was kürzlich in gewissen Banken geschehen ist, verstehe ich die Diskussion über die Managerlöhne», sagt Ruoff dazu.


«Entspricht nicht der Norm»

 

Susanne Ruoff lebt seit mehreren Jahren mit ihrem Ehemann und den zwei jetzt 18- und 19-jährigen Kindern in Crans-Montana. Hier findet sie regelmässig Zeit für ihre Lieblings-Freizeitbeschäftigungen Wandern und Skifahren. «Mir gefällt hier aber vor allem die Ruhe und die gute Luft. Die Natur im Wallis sorgt bei mir für frische Ideen.» Ihr Mann hat schon vor mehreren Jahren seine Lohnarbeit aufgegeben und ist seither Hausmann. «Das entspricht wahrscheinlich nicht der Norm, aber ich kenne viele Männer, die gerne in seiner Situation wären. Ich jedenfalls finde, dass ein solcher Entscheid allen Paaren offenstehen sollte, die dies wünschen.»


Mohamed Hamdaoui, Kommunikationsverantwortlicher

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