Buchpreisbindung: Hoher Preis für billige Bücher
Die Buchpreisbindung ist wichtig. Für kleinere, unabhängige Buchhandlungen langfristig sogar überlebenswichtig. Ein Beispiel.
Schon von aussen wirkt sie einladend, die Buchhandlung Hirschmatt in Luzern. Und drinnen möchte man am liebsten sofort mit Stöbern beginnen – auf verschiedenen Ebenen warten Bücher aller Sparten. Speziell für Reiselustige ist das Angebot gross: eine Besonderheit, wie sie kleineren Buchhandlungen gut tut (wobei die Hirschmatt unter den unabhängigen Buchhandlungen im Raum Luzern die grösste ist). Eine andere „Spezialität“ sieht man schon dem Schaufenster an: hirschmatt.ch steht da zu lesen –bestellen lässt sich natürlich auch online.
Einen Besuch vor Ort ersetzt das aber nicht wirklich – denn hier, in dem schönen Bau aus dem 19. Jahrhundert, warten Menschen, die Bücher lieben, die etwas von ihnen verstehen und bestens raten und beraten können. Damit es genau dies weiterhin gibt, nämlich die persönliche Betreuung in einer Buchhandlung wie der Hirschmatt mit ihren zehn Mitarbeitenden, braucht es die Buchpreisbindung. Nachdem das von der Migros namentlich mit der Unterschriftensammlung bei Ex-Libris kräftig unterstützte Referendum gegen das entsprechende Gesetz (vgl. syndicom die zeitung Nr. 6 und Nr. 12) zustande gekommen ist wird das Volk diese Frage entscheiden.
Über Argumente für das Buchpreisbindungsgesetz müssen Andreas Wolfisberg, Ladenchef der Hirschmatt, und deren Geschäftsführer Jörg Duss nicht lange nachdenken. „Das ist zu kurz gegriffen“, entkräften sie die Behauptung der Buchpreisbindungs-Gegner, die Bücher würden mit der Preisbindung massiv teurer. Die Erfahrungen aus dem Ausland (die meisten EU-Länder kennen ja die Preisbindung) und auch aus der Schweiz beweisen das Gegenteil. Ohne Preisbindung aber „können wir mit dem Online-Buchhandel nicht mehr mithalten“, so Wolfisberg. Sogar grosse Buchhandlungen seien daher für das Buchpreisbindungsgesetz.
Profitieren würde vor allem, wer seine Bücher in der Buchhandlung einkauft: „Es wird übersichtlicher, man muss nicht mehr Preise vergleichen“, ergänzt Duss. Das gilt besonders auch bei Sach- und Fachliteratur. Für ein Land wie die Schweiz, deren wichtigster „Rohstoff“ die Bildung ist, nicht ohne Bedeutung. Und auch eine kleinere Buchhandlung ist darauf angewiesen, Bestseller verkaufen zu können – sonst werden die übrigen Bücher teurer.
Viele Stellen stehen auf dem Spiel
Auch in anderer Hinsicht ist der Preis schlicht zu hoch, wenn es nur noch darum geht, einen Bestseller bei einem Grossverteiler möglichst „billig“ erstehen zu können: Denn ohne Buchpreisbindung würden viele „stationäre Buchhandlungen“ verschwinden – und damit ihr breites Angebot, ihre kompetente Beratung, aber auch ihre Lehrstellen, ja, viele Stellen überhaupt. 600 bis 1000 könnten es schweizweit sein. Aus gewerkschaftlicher Sicht und mit Blick auf den Arbeitsmarkt ein zentrales Argument.
Der Preis einer solchen Entwicklung wäre auch in anderer Hinsicht hoch: ganz ähnlich wie die – ebenfalls „bedrohten“ – Poststellen sind Buchhandlungen wie die Hirschmatt ein sozialer Treffpunkt: „Oft kommen unsere Kunden auch untereinander ins Gespräch“, erzählt Wolfisberg. Und das kann das Internet definitiv nicht ersetzen. Genau wie bei den Poststellen ist zudem bei den Buchhandlungen wichtig, „dass sie einigermassen flächendeckend im ganzen Land erreichbar sind“, betont Duss. Und damit meint er ein Angebot das eben mehr umfasst als nur Bestseller. „Bei uns kann man viele Bücher anschauen, sich inspirieren lassen, auch einmal etwas umtauschen, man kann Autoren und Autorinnen bei Lesungen direkt begegnen…“
Beide sind sich einig, dass das Buchpreisbindungsgesetz auch für den Online-Handel gelten muss – und dass dies durchaus praktikabel ist. Und: Eine „Kartellbildung“ sei nicht zu befürchten, da ja die Verlage – quasi „vertikal“ – die Preise festlegen. Gerade die Buchbranche habe übrigens Währungsschwankungen den Kunden zu Gute kommen lassen. Natürlich sind Bücher im Ausland billliger – aber der Buchpreis setzt sich aus vielen Faktoren zusammen „und bezüglich der Kaufkraft steht die Schweiz viel besser da“, so Wolfisberg; „Lesen ist immer noch eines der günstigsten Freizeitvergnügen!“
Zu verlieren gibt es also kaum etwas. Aber zu gewinnen viel – zum Beispiel an Lebensqualität. Auf meinem Weg zum Bahnhof komme ich an einer Ex-Libris-Filiale vorbei. Aber irgendwie reizt sie mich nicht. Im Vergleich zur Hirschmatt-Buchhandlung verspricht sie ein „Einkaufserlebnis“ wie im Neonlicht eines Supermarkts gegenüber einem Gang über einen bunten Wochenmarkt. Und dann trage ich ja auch schon genügend „Schätze“ mit mir: Fünf Bücher, einen Kalender – und die Erinnerung an inspirierende Momente zwischen den Bücherreihen und auf der sonnigen Terrasse der Hirschmatt-Buchhandlung. Vor allem aber an die Freundlichkeit der Menschen, denen ich dort begegnet bin. Schade, wenn es so etwas nicht mehr geben würde.
Gabriele Brodrecht, Zentralredaktorin